Deutsche Übersetzung des IPM von Konrad Müller (1975)
 
  Kollationsvorlage:
Müller, Konrad (Bearb.): Instrumenta Pacis Westphalicae. Die Westfälischen Friedensverträge 1648. Vollständiger lateinischer Text mit Übersetzung der wichtigeren Teile und Regesten. (Quellen zur Neueren Geschichte, Heft 12,13). Dritte, durchgesehene Auflage (Quellen zur Neueren Geschichte, Heft 12,13) Bern 1975, 113-122: teils Übersetzung, teils Regest (in kleinerer Schrift und eingerückt).
 
 
 

deutsch 1975

 
 

§§ 69 - 91 IPM

 
   
  [§ 69 IPM # IPO] § 69. Damit aber der besagte Friede und die Freundschaft zwischen dem Kaiser und dem Allerchristlichsten König desto mehr befestigt werden könne und für die öffentliche Sicherheit besser vorgesorgt werde, so ist mit Zustimmung, Rat und Willen der Kurfürsten, Fürsten und Stände des Reichs zur Förderung des Friedens vereinbart worden:  
 
  [§ 70 IPM # IPO] § 70. Erstens, daß die Oberherrschaft, die Landeshoheit und alle andern Rechte auf die Bistümer Metz, Toul und Verdun und die gleichnamigen Städte und die Gebiete jener Bistümer, und namentlich Moyenvic, in derselben Weise, wie sie bisher zum Römischen Reiche gehörten, inskünftig zur Krone Frankreich gehören und ihr auf immer und unwiderruflich einverleibt werden sollen, jedoch mit Vorbehalt des Metropolitanrechts, das dem Erzbistum Trier zukommt.  
 
  [§ 71 IPM # IPO] § 71. In den Besitz des Bistums Verdun ist Herr Franz, Herzog von Lothringen, als rechtmäßiger Bischof wieder einzusetzen, und es soll ihm gestattet werden, dieses Bistum friedlich zu verwalten und die Rechte (soweit sie der oben genannten Abtretung nicht entgegenstehen), Privilegien, Einkünfte und Nutzungen desselben sowie seiner Abteien (das Recht des Königs und eines jeden Privatmanns vorbehalten) und seiner Erbgüter, wo sie auch gelegen sein mögen, zu gebrauchen und zu genießen, vorausgesetzt daß er vorher dem König den Eid der Treue geleistet hat und nichts gegen seiner Majestät und des Königreichs Interessen unternimmt.  
 
  [§ 72 IPM # IPO] § 72. Zweitens: Kaiser und Reich treten ab und übertragen auf den Allerchristlichsten König und seine Thronfolger das Obereigentums-, das Hoheits- und jedes andere Recht, das ihm und dem hl. Römischen Reich bis jetzt an Pinerolo gebührte und gebühren konnte.  
 
  [§ 73 IPM # IPO] § 73. Drittens: Der Kaiser - für sich wie für das ganze durchlauchtigste Haus Österreich - sowie das Reich begeben sich aller Befugnisse, Eigentumsrechte, Herrschaften, Besitzungen und Gerichtsbarkeiten, die bis jetzt ihm, dem Reich und dem Hause Österreich zustanden auf die Stadt Breisach, die Landgrafschaft Ober- und Unter-Elsaß, den Sundgau und die Landvogtei über die zehn im Elsaß gelegenen Reichsstädte, nämlich Hagenau, Colmar, Schlettstadt, Weißenburg, Landau, Oberehnheim, Rosheim, Münster im St. Gregoriental, Kaysersberg und Türkheim, sowie auf alle Dörfer und auf alle andern Rechte, die von der besagten Vogtei abhangen, und diese alle und jede übertragen sie auf den Allerchristlichsten König und das Königreich Frankreich, so daß besagte Stadt Breisach mit den Dörfern Hochstadt, Nieder-Rimsingen, Harten und Acharren, die zur Gemeinde der Stadt Breisach gehören, und mit allem Gebiet und Bann, soweit als es sich von altersher erstreckt (jedoch mit Vorbehalt der Privilegien und Freiheiten, welche diese Stadt hiebevor vom Hause Österreich erlangt und erhalten hat),  
 
  [§ 74 IPM # IPO] § 74. und desgleichen besagte Landgrafschaft beider Elsaß und der Sundgau, ferner auch die Landvogtei über die genannten zehn [Reichs-] Städte und die davon abhangenden Orte, und ebenso alle Vasallen, Landsassen, Untertanen, Leute, Städte, Festungen, Dörfer, Schlösser, Wälder, Forste, Gold-, Silber- und sonstige Mineral-Gruben, Flüsse, Bäche, Weiden und alle Rechte, Regalien und Zubehören, ohne irgendeinen Vorbehalt, mit jederlei Gerichtsbarkeit und Souveränität und der Oberherrschaft von jetzt an auf immer dem Allerchristlichsten König und der Krone Frankreich gehören und als besagter Krone einverleibt betrachtet werden sollen ohne Widerspruch des Kaisers, des Reichs und des Hauses Österreich oder sonst jemandes, dergestalt daß durchaus kein Kaiser oder Fürst aus dem Hause Österreich irgend etwas an Recht oder Gewalt in den vorerwähnten dies- und jenseits des Rheins gelegenen Gebieten jemals beanspruchen oder sich aneignen kann oder darf.  
 
  [§ 75 IPM # IPO] § 75. Indessen soll der König verpflichtet sein, in diesen Orten samt und sonders die katholische Religion zu erhalten, wie sie unter den österreichischen Fürsten erhalten worden ist, und alle Neuerungen, die sich während dieses Krieges eingeschlichen haben, wieder zu beseitigen.  
 
  [§ 76 IPM # IPO] § 76. Viertens: Die Allerchristlichste Majestät und deren Thronfolger sollen mit Einwilligung des Kaisers und des ganzen Reiches das immerwährende Recht haben, in der Festung Philippsburg des Schutzes halber eine Besatzung zu halten, die jedoch auf eine angemessene Anzahl zu beschränken ist, so daß sie den Nachbarn keinen begründeten Anlaß zum Verdacht gewähren kann, und ausschließlich auf Kosten der Krone Frankreich unterhalten werden soll. Auch soll dem König freier Durchzug durch Länder und Gewässer des Römischen Reiches offenstehen, um Soldaten, Proviant und alles übrige, was und sooft es vonnöten sein wird, dorthin zu führen.  
 
  [§ 77 IPM # IPO] § 77. Doch wird der König außer dem Schutz, der Besatzung und dem Zugang zur besagten Festung Philippsburg nichts weiter beanspruchen; vielmehr soll das Eigentum selbst, jederlei Gerichtsbarkeit, der Besitz und alle Erträgnisse, Nutzungen, Zuwachs, Rechte, Regalien, Dienstbarkeiten, Leute, Untertanen, Vasallen und überhaupt alles, was von altersher daselbst und im Gebiet des ganzen Bistums Speyer und der ihm einverleibten Kirchen dem Bischof und dem Kapitel von Speyer gehörte und gehören konnte, denselben auch inskünftig ganz, unangetastet und unversehrt verbleiben, jedoch mit Ausnahme des Schutzrechts.  
 
  [§ 78 IPM # IPO] § 78. Der Kaiser und das Reich, beziehungsweise Herr Ferdinand Karl, Erzberzog von Innsbruck, entbinden die Stände, Obrigkeiten, Beamten und Untertanen der einzelnen oben genannten Herrschaften und Örtlichkeiten von den Pflichten und Eiden, durch die sie bis jetzt an sie und das Haus Österreich gebunden waren, und weisen sie an und verpflichten sie, dem König und der Krone Frankreich Untertänigkeit, Gehorsam und Treue zu erzeigen. Und somit setzen sie die Krone Frankreich in deren volle und rechtmäßige Souveränität, Eigentum und Besitz ein und verzichten auf alle Rechte und Ansprüche auf sie von jetzt an für immer, und der Kaiser, der besagte Herr Erzherzog und sein Bruder (soweit nämlich vorgenannte Abtretung sie betrifft) werden dies für sich und ihre Nachkommen nicht nur selbst in einer besonderen Urkunde bestätigen, sondern auch bewirken, daß vom Katholischen Könige von Spanien dieselbe Verzichtleistung gleichfalls in rechtskräftiger Form ausgestellt wird. Dies wird auch im Namen des ganzen Reiches geschehen an dem Tage, wo man den gegenwärtigen Vertrag unterzeichnen wird.  
 
  [§ 79 IPM # IPO] § 79. Zu größerer Gültigkeit der oben genannten Abtretungen und Entäußerungen heben Kaiser und Reich kraft gegenwärtigen Vertrages ausdrücklich alle und jede Erlasse, Satzungen, Verordnungen und Gewohnheiten der vorigen Kaiser und des hl. Römischen Reiches auf, [und zwar] auch die, welche eidlich bekräftigt oder inskünftig zu bekräftigen sind, und namentlich die kaiserliche Wahlkapitulation, soweit [darin] jegliche Entäußerung von Reichs-Gütern und -Rechten verboten wird, und schließen zugleich auf immer alle Einreden und Restitutionswege aus, auf welches Recht oder welchen Titel sie auch gegründet werden könnten.  
 
  [§ 80 IPM # IPO] § 80. Überdies ist vereinbart worden, daß, außer der hier weiter unten vom Kaiser und den Reichsständen versprochenen Ratifikation, auch auf dem nächsten Reichstag zum Überfluß die Entäußerungen der oben genannten Herrschaften und Rechte bestätigt werden sollen, und wenn daher künftighin in der kaiserlichen Wahlkapitulation ein Abkommen, oder auf den Reichstagen ein Vorschlag wegen der Wiedererwerbung der besetzten oder abgetrennten Reichs-Güter und -Rechte gemacht würde, so sollen sie die oben genannten Gegenstände nicht enthalten noch so verstanden werden, als ob sie sie enthielten, weil diese nach einhelligem Beschluß der Reichsstände um der öffentlichen Ruhe willen einer andern Herrschaft rechtsgültig übergeben worden sind, und zu diesem Ende wird beschlossen, dieselben aus der Reichsmatrikel auszustreichen.  
 
  [§ 81 IPM # IPO] § 81. Sogleich nach der Zurückgabe von Benfeld sollen die Befestigungen dieser Stadt und der benachbarten Festung Rheinau, sowie auch von Zabern im Elsaß, des Schlosses Hohbarr und von Neu[en]burg am Rhein geschleift werden, und in den vorerwähnten Plätzen darf keine militärische Besatzung gehalten werden.  
 
  [§ 82 IPM # IPO] § 82. Die Obrigkeit und die Einwohner besagter Stadt Zabern sollen die Neutralität genau beachten, und es soll dort den königlichen Truppen, sooft es verlangt wird, sicherer und freier Durchzug offenstehen.
Am Rhein dürfen auf dem diesseitigen Ufer von Basel bis Philippsburg keine Befestigungen errichtet, noch darf durch irgendwelche Verbauung der Flußlauf von der einen oder andern Seite abgelenkt oder weggeleitet werden.
 
 
  [§ 83 IPM # IPO]
§ 83. Erzherzog Ferdinand Karl übernimmt den dritten Teil aller ensisheimischen Kammerschulden.
 
 
  [§ 84 IPM # IPO]
§ 84. Die von Österreich den Landständen zugeteilten oder von diesen selbst gemachten Schulden sollen zwischen den Landesteilen, die in des Königs Gewalt kommen, und denen, die unter österreichischer Herrschaft bleiben, gehörig verteilt werden, damit jeder Teil wisse, wieviel er an Schulden zu bezahlen hat.
 
 
  [§ 85 IPM # IPO] § 85. Der Allerchristlichste König wird dem Hause Österreich und insonderheit dem oben genannten Herrn Erzherzog Ferdinand Karl, dem erstgeborenen Sohne des weiland Erzherzogs Leopold, zurückgeben: Die vier Waldstädte Rheinfelden, Säckingen, Laufenburg und Waldshut mit allen Ländereien und Balleien, Höfen, Dörfern, Mühlen, Wäldern, Forsten, Vasallen, Untertanen und allen Zubehören dies- und jenseits des Rheines; ingleichen die Grafschaft Hauenstein, den Schwarzwald und den ganzen Ober- und Unter-Breisgau und die darin gelegenen Städte, die nach altem Recht dem Hause Österreich gehören, nämlich Neu[en]burg, Freiburg, Endingen, Kenzingen, Waldkirch, Villingen und Bräunlingen samt allen Gebieten, sowie mit allen Klöstern, Abteien, Prälaturen, Propsteien und Komtureien der Ritterorden, mit allen Balleien, Freiherrschaften, Schlössern, Festungen, Grafen, Freiherren, Edelleuten, Vasallen, Leuten, Untertanen, Flüssen, Bächen, Forsten, Wäldern und allen Regalien, Rechten, Gerechtigkeiten, Lehen und Kirchensätzen und allem und jedem, was in diesem ganzen Gebiete sonst noch von altersher zur Landeshoheit und zum Erbgut des Hauses Österreich gehört; ingleichen die ganze Ortenau mit den Reichsstädten Offenburg, Gengenbach und Zell am Harmersbach, insoweit sie nämlich dem Amt Ortenau unterstellt sind, dergestalt daß durchaus kein König von Frankreich irgendein Recht oder eine Gewalt in diesen vorerwähnten, dies- und jenseits des Rheins gelegenen Gebieten jemals beanspruchen oder sich aneignen kann oder darf, jedoch so, daß den österreichischen Fürsten durch die vorgenannte Zurückgabe kein neues Recht zuwächst.
Handel und Verkehr zwischen den Bewohnern der beiden Rheinufer und der auf beiden Seiten angrenzenden Länder sollen durchaus frei sein; vor allem aber soll die Rheinschifffahrt frei und keiner Partei erlaubt sein, die flußauf- oder -abwärts vorüberfahrenden Schiffe zu hindern, anzuhalten, zu beschlagnahmen oder unter irgendeinem Vorwand zu belästigen (mit alleiniger Ausnahme der Besichtigung, die zwecks Durchsuchung oder Beschauung der Waren zu geschehen pflegt); und es soll auch nicht gestattet sein, neue und ungewöhnliche Zölle, Weg- und Brückengelder, Abgaben oder andere Gebühren dieser Art am Rhein zu erheben; vielmehr sollen beide Parteien sich mit den ordnungsmäßigen Zöllen und Abgaben, die vor diesem Kriege unter österreichischer Herrschaft daselbst entrichtet zu werden pflegten, zufrieden geben.
 
 
  [§ 86 IPM # IPO] § 86. Alle Vasallen, Landsassen, Untertanen, Bürger und Einwohner, die dies- und jenseits des Rheines dem Hause Österreich, sowie auch die, welche unmittelbar dem Reiche unterstellt waren oder andere Reichsstände als Obrigkeiten anerkennen, sollen - ungeachtet jeglicher Beschlagnahme, Übertragung oder Schenkung, die durch irgendwelche Generale oder Kommandanten der schwedischen oder verbündeten Truppen nach der Besetzung des Landes vorgenommen und durch den Allerchristlichsten König bestätigt oder aus eigenem Antrieb verfügt worden wäre - sogleich nach der Verkündigung des Friedens in ihre unbeweglichen und beständigen Güter, sie seien körperlicher oder unkörperlicher Natur, Höfe, Schlösser, Städte, Grundstücke und Besitzungen wiedereingesetzt werden, [und zwar] ohne irgendwelche Einrede wegen Verbesserungen, Unkosten, Auslagen oder Entschädigungen, welche die derzeitigen Besitzer etwa vorschützen könnten, und ohne Rückerstattung der beweglichen und sich selbst bewegenden Habe und der bezogenen Nutzungen. Was aber die Beschlagnahmen von Waren, die gewogen, gezählt und gemessen werden, die Eintreibungen, Brandschatzungen und Erpressungen betrifft, die im Zusammenhang mit den Kriegshandlungen geschehen sind, so soll deren Zurückforderung zwecks Beschränkung der Prozesse auf beiden Seiten vollständig aufgehoben und abgeschafft sein.  
 
  [§ 87 IPM # IPO] § 87. Der Allerchristlichste König soll verpflichtet sein, nicht nur die Bischöfe von Straßburg und Basel, mit der Stadt Straßburg, sondern auch die übrigen, in beiden Elsaß dem Römischen Reich unmittelbar unterstellten Stände, die Äbte von Murbach und Lüders, die Äbtissin von Andlau, das Benediktinerkloster im St. Gregoriental, die Pfalzgrafen zu Lützelstein, die Grafen und Freiherren zu Hanau, Fleckenstein, Oberstein und die Ritterschaft von ganz Unter-Elsaß, ingleichen die ehgenannten zehn Reichsstädte, die zur Vogtei Hagenau gehören, in derselben Freiheit und dem Besitz der Reichsunmittelbarkeit zu belassen, deren sie sich bisher erfreut haben, dergestalt daß er keine weitergehende königliche Oberhoheit über sie beanspruchen kann, sondern sich mit allen den Rechten begnügt, die dem Hause Österreich zustanden und durch diesen Friedensvertrag an die Krone Frankreich abgetreten werden, jedoch so, daß man jenes gesamte Oberherrschaftsrecht, das oben gewährt worden ist, durch gegenwärtige Erklärung in nichts als geschmälert betrachten soll.  
 
  [§ 88 IPM # IPO] § 88. Ebenso wird der Allerchristlichste König als Entschädigung für die ihm abgetretenen Gebiete besagtem Herrn Erzherzog Ferdinand Karl drei Millionen Livres Tournois in den nächstfolgenden Jahren, nämlich 1649, 1650 und 1651, am Feste des hl. Johannes des Täufers, [und zwar] jedes Jahr ein Drittel, in guter und gangbarer Münze in Basel zu Handen des Herrn Erzherzogs oder seiner Abgeordneten auszahlen lassen.  
 
  [§ 89 IPM # IPO]
§ 89. Außerdem übernimmt der König von Frankreich zwei Drittel aller ensisheimischen Kammerschulden.
 
 
  [§ 90 IPM # IPO]
§ 90. Der König von Frankreich wird dem Erzherzog sämtliche Urkunden unverzüglich zurückgeben, welche die Länder, die demselben zu restituieren sind, betreffen.
 
 
  [§ 91 IPM # IPO]
§ 91. Betreffen dergleichen Urkunden aber auch die abgetretenen Länder, so sollen dem Erzherzog davon, sooft er es verlangen wird, rechtsgültige Abschriften ausgestellt werden.
 

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