Deutsche Übersetzung des IPO von Konrad Müller (1975)
 
  Kollationsvorlage:
Müller, Konrad (Bearb.): Instrumenta Pacis Westphalicae. Die Westfälischen Friedensverträge 1648. Vollständiger lateinischer Text mit Übersetzung der wichtigeren Teile und Regesten. (Quellen zur Neueren Geschichte, Heft 12,13). Dritte, durchgesehene Auflage (Quellen zur Neueren Geschichte, Heft 12,13) Bern 1975, 132-134.
 
 
 

deutsch 1975

 
 

Artikel VII IPO

 
   
  [Art. VII,1 IPO ← § 47 IPM] § 1. Auch ist mit einmütiger Zustimmung der kaiserlichen Majestät und aller Reichsstände beschlossen worden, daß sämtliche Rechte oder Vergünstigungen, welche sowohl alle andern Reichssatzungen, als besonders der Religionsfriede und dieser öffentliche Vertrag und in ihm die Entscheidung der Beschwerden den katholischen und den der Augsburgischen Konfession zugetanen Ständen und Untertanen erteilen, auch denen unter ihnen, die Reformierte genannt werden, zukommen sollen; jedoch immer mit Vorbehalt der Verträge, Privilegien, Reverse und andern Verordnungen, welche die sogenannten protestantischen Stände unter sich und mit ihren Untertanen abgeschlossen haben und in denen wegen der Religion und ihrer Übung und was damit zusammenhängt für die Stände und Untertanen eines jeden Ortes bisher vorgesorgt worden ist; desgleichen unbeschadet der Gewissensfreiheit eines jeden.
Weil jedoch die religiösen Streitfragen, die zwischen den eben genannten Protestanten obwalten, bis jetzt nicht beigelegt, sondern einer künftigen Beilegung vorbehalten worden sind, und folglich die Protestanten zwei Parteien bilden, so ist zwischen den beiden wegen des jus reformandi vereinbart worden, daß, wenn irgendein Fürst oder anderer Landesherr oder der Schirmherr irgendeiner Kirche künftig zur Religion des andern Teils übertreten oder wenn er ein Fürstentum oder eine Herrschaft, wo die Religion des andern Teils gegenwärtig in öffentlicher Übung steht, entweder nach dem Erbfolgerecht oder kraft gegenwärtigen Friedensvertrags oder unter irgendeinem andern Titel erlangen oder zurückerhalten würde, ihm selbst zwar erlaubt sein soll, Hofprediger seines Bekenntnisses, ohne Beschwer oder Nachteil für seine Untertanen, bei sich und in seiner Residenz zu haben; dagegen soll es ihm nicht gestattet sein, die öffentliche Religionsübung, die Kirchengesetze oder -verfassungen, die bis jetzt daselbst gegolten haben, zu ändern, oder Kirchen, Schulen, Spitäler oder diesen gehörige Einkünfte, Renten und Stipendien den früheren Inhabern zu entziehen und Personen seiner Religion zuzuwenden, oder unter dem Vorwand des landesherrlichen, bischöflichen, schirmherrlichen oder irgendeines andern Rechts den Untertanen Prediger des andern Bekenntnisses aufzudrängen oder der andern Religion irgendein anderes Hindernis oder einen Nachteil unmittelbar oder mittelbar anzutun. Und damit diese Vereinbarung desto zuverlässiger gehalten werde, soll es im Fall einer solchen Änderung den Gemeinden erlaubt sein, selbst geeignete Schullehrer und Prediger zu präsentieren (oder, wenn sie das Präsentationsrecht nicht haben, vorzuschlagen), die vom öffentlichen Konsistorium und Kirchenamt des {betreffenden} Ortes - sofern sie derselben Religion sind, wie die präsentierenden oder vorschlagenden Gemeinden, - oder in Ermangelung dessen an der Stelle, die die Gemeinden selbst wählen werden, geprüft und ordiniert und danach vom Fürsten oder Herrn ohne Weigerung bestätigt werden sollen.
 
 
  [Art. VII,2 IPO ← § 47 IPM] § 2. Wenn aber irgendeine Gemeinde im Fall einer Änderung die Religion ihres Herrn angenommen und verlangt hätte, auf eigene Kosten die Religion zu üben, der ihr Fürst oder Herr zugetan ist, so soll es ihm freistehen, ihr das ohne Benachteiligung der übrigen zu erlauben, und {diese Erlaubnis} darf von seinen Nachfolgern nicht aufgehoben werden. Aber die Mitglieder der Konsistorien, die Kirchenvisitatoren und die Theologie- und Philosophieprofessoren an Schulen und Akademien sollen ausschließlich der Religion angehören, die zu dieser Zeit an jedem Orte öffentlich angenommen ist.
Gleichwie aber alles oben Erwähnte von künftigen Änderungen zu verstehen ist, so soll es den Rechten, die den Fürsten von Anhalt und ähnlichen {Landesherren} zukommen, keinen Abbruch tun.
Jedoch soll außer den obbenannten Religionen im hl. Römischen Reich keine andere angenommen oder geduldet werden.
 

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