Deutsche Übersetzung des IPO von Konrad Müller (1975)
 
  Kollationsvorlage:
Müller, Konrad (Bearb.): Instrumenta Pacis Westphalicae. Die Westfälischen Friedensverträge 1648. Vollständiger lateinischer Text mit Übersetzung der wichtigeren Teile und Regesten. (Quellen zur Neueren Geschichte, Heft 12,13). Dritte, durchgesehene Auflage (Quellen zur Neueren Geschichte, Heft 12,13) Bern 1975, 137-142.
 
 
 

deutsch 1975

 
 

Artikel X IPO

 
   
  [Art. X,1 IPO # IPM] § 1. Da ferner die durchlauchtigste Königin von Schweden verlangt hatte, daß sie für die Zurückgabe der in diesem Kriege besetzten Plätze entschädigt und daß für die Wiederherstellung des öffentlichen Friedens im Reich gebührend gesorgt werde, so überläßt die kaiserliche Majestät mit Zustimmung der Kurfürsten, Fürsten und Stände des Reiches, besonders der beteiligten, und kraft gegenwärtigen Vertrags der besagten durchlauchtigsten Königin und ihren künftigen Erben und Nachfolgern, den Königen und dem Königreich von Schweden, folgende Herrschaften zu vollem Recht als immerwährendes und unmittelbares Reichslehen:  
 
  [Art. X,2 IPO # IPM] § 2. Erstlich ganz Vorpommern mitsamt der Insel Rügen, innerhalb derjenigen Grenzen, durch die sie unter den letzten Herzogen von Pommern umschrieben waren. Zudem von Hinterpommern Stettin, Gartz, Damm, Gollnow und die Insel Wollin, mitsamt der dazwischen fließenden Oder und dem Meer, gewöhnlich daß frische Haff genannt, und seinen drei Mündungen Peene, Swine und Dievenow und dem beiderseits anliegenden Land vom Anfang des königlichen Gebietes bis an die Ostsee; über die Breite des östlichen Uferstreifens werden sich die königlichen und die kurfürstlichen Kommissäre zur genauern Bestimmung der Grenzen und der übrigen kleineren Angelegenheiten freundschaftlich verständigen.  
 
  [Art. X,3 IPO # IPM] § 3. Dieses Herzogtum Pommern und das Fürstentum Rügen mitsamt den anhangenden Herrschaften und Orten und allen und jeden dazugehörigen Gebieten, Ämtern, Städten, Festungen, Kleinstädten, Flecken, Dörfern, Leuten, Lehen, Flüssen, Inseln, Seen, Küsten, Häfen, Landungsplätzen, alten Zöllen und Einkünften und jeglichen andern geistlichen und weltlichen Gütern nebst den Titeln, Würden, Auszeichnungen, Immunitäten und Vorrechten und allen und jeden übrigen geistlichen und weltlichen Rechten und Privilegien, mit denen die früheren Herzoge von Pommern sie besessen, bewohnt und regiert haben, soll die königliche Majestät und das Königreich von Schweden von diesem Tag an auf immer als Erblehen haben, besitzen und in freier Weise nutzen und unverletzlich genießen.  
 
  [Art. X,4 IPO # IPM] § 4. Auch alle Rechte, die vordem die Herzoge von Vorpommern bei der Verleihung der Prälaturen und Pfründen des Domkapitels zu Kammin gehabt haben, soll inskünftig die königliche Majestät und das Königreich von Schweden auf immer haben, mit der Befugnis, diese {Prälaturen und Pfründen} nach dem Ableben der jetzigen Domherren und Kapitularen aufzuheben und die Einkünfte zu den herzoglichen Tafelgütern zu schlagen. Was aber den Herzogen von Hinterpommern gehört hat, soll dem Herrn Kurfürsten von Brandenburg nebst dem ganzen Bistum Kammin und dessen Gebieten, Rechten und Würden, wie unten ausführlicher dargelegt wird, gehören.
Die Titel und Wappen von Pommern sollen sowohl das königliche wie das brandenburgische Haus ohne Unterschied nach der unter den vorigen Herzogen von Pommern üblichen Weise führen; und zwar das königliche Haus immer, das brandenburgische aber solange jemand aus dem Mannsstamm am Leben ist, jedoch ohne das Fürstentum Rügen, und ohne irgendein anderes Recht auf die dem Königreich Schweden abgetretenen Orte zu beanspruchen. Wenn aber der Mannsstamm des Hauses Brandenburg erlöschen sollte, darf außer Schweden von den pommerischen Titeln und Wappen niemand mehr Gebrauch machen, und dann soll auch ganz Hinterpommern mit Vorpommern und dem ganzen Bistum und dem gesamten Kapitel von Kammin und dergestalt mit allen Rechten und Anwartschaften der Vorgänger vereinigt allein den Königen und dem Königreich von Schweden auf immer gehören; diese haben inzwischen der Anwartschaft auf die Erbfolge und der Gesamtbelehnung zu genießen und sollen somit auch den Ständen und Untertanen der besagten Orte bei der Leistung des Huldigungseides in herkömmlicher Weise {ihre Rechte} gewährleisten.
 
 
  [Art. X,5 IPO # IPM] § 5. Der Herr Kurfürst von Brandenburg und alle übrigen Beteiligten entbinden die Stände, Beamten und Untertanen der einzelnen oben genannten Orte von ihren Pflichten und Eiden, durch die sie bis jetzt an sie und ihre Häuser gebunden waren, und weisen sie an, der königlichen Majestät und dem Königreich von Schweden in herkömmlicher Weise Huldigungseid und Gehorsam zu leisten; und somit setzen sie Schweden in deren vollen und rechtmäßigen Besitz ein und verzichten von jetzt an für immer auf alle Ansprüche auf sie und werden dies für sich und ihre Nachkommen hier durch eine besondere Urkunde bestätigen.  
 
  [Art. X,6 IPO # IPM] § 6. Zweitens überläßt der Kaiser mit Zustimmung des ganzen Reichs der durchlauchtigsten Königin und ihren Erben und Nachfolgern, den Königen und dem Königreich von Schweden, als immerwährendes und unmittelbares Reichslehen Stadt und Hafen Wismar mitsamt der Festung Walfisch und den Ämtern Poel (ausgenommen die Dörfer Seedorf, Weitendorf, Brandenhausen und Wangern, die dem Hospital zum Hl. Geist in der Stadt Lübeck gehören) und Neukloster, mit allen Rechten und Zubehören, mit denen sie die Herzoge von Mecklenburg bisher besessen haben, dergestalt, daß besagte Orte und der ganze Hafen mit den Ländereien zu beiden Seiten von der Stadt bis an die Ostsee der freien Verfügung ihrer Majestät unterstehen sollen und sie sie mit Befestigungen und Besatzungen nach Belieben und Erfordernis der Umstände, jedoch auf ihre eigenen Kosten, versehen und allda stets für ihre Schiffe und ihre Flotte einen sichern und gefahrlosen Stützpunkt und Standort haben und sie überhaupt mit demselben Recht soll nutzen und gebrauchen können, das ihr über ihre übrigen Reichslehen gebührt; jedoch unter der Bedingung, daß der Stadt Wismar ihre Privilegien unangetastet bleiben und ihr Handel unter königlichem Schutz und Begünstigung auf alle ersprießliche Weise gefördert werde.  
 
  [Art. X,7 IPO # IPM] § 7. Drittens überläßt der Kaiser mit Zustimmung des ganzen Reichs kraft gegenwärtigen Vertrags der durchlauchtigsten Königin und ihren Erben und Nachfolgern, den Königen und dem Königreich von Schweden, als ewiges und unmittelbares Reichslehen, und zwar mit den herkömmlichen Wappen, aber unter dem Titel eines Herzogtums, auch das Erzbistum Bremen und das Bistum Verden mit Stadt und Amt Wildeshausen und jeglichem Recht, das den letzten Erzbischöfen von Bremen über Kapitel und Diözese von Hamburg gebührt hatte (wobei jedoch dem Hause Holstein, sowie auch der Stadt und dem Kapitel Hamburg die ihnen zukommenden Rechte, Privilegien, Freiheit, Verträge, Besitz und gegenwärtiger Zustand in allen Stücken vorbehalten sind, dergestalt, daß jene vierzehn Dörfer in den holsteinischen Ämtern Trittau und Reinbek für die {Entrichtung der} jetzigen jährlichen Abgabe dem Herrn Friedrich, Herzog zu Holstein-Gottorp, und seinen Nachkommen auf immerdar verbleiben), samt allen und jeden dazu gehörigen geistlichen und weltlichen Gütern und Rechten, sie mögen gelegen und genannt sein, wo und wie sie wollen, zu Land und zu Wasser; dabei sollen die von den Kapiteln und übrigen geistlichen Kollegien {ausgeübten} Wahl-, Postulations- und alle andern Rechte und die Verwaltung und Regierung der zu diesen Herzogtümern gehörenden Länder aufhören.  
 
  [Art. X,8 IPO # IPM] § 8. Der Stadt Bremen aber und ihrem Gebiet und ihren Untertanen sollen ihr gegenwärtiger Stand, ihre Freiheit, ihre Rechte und Privilegien in geistlichen und weltlichen Dingen unangefochten gelassen werden. Wenn aber zwischen ihr und dem Bistum oder {nunmehrigen} Herzogtum oder den Kapiteln Streitigkeiten obwalten oder künftig entstehen würden, dann sollen diese entweder gütlich beigelegt oder gerichtlich entschieden werden, unterdessen aber einer jeden Partei der Besitz, den sie innehat, verbleiben.  
 
  [Art. X,9 IPO # IPM] § 9. Viertens: Wegen aller oben erwähnten Herrschaften und Lehen nimmt der Kaiser mit dem Reich die durchlauchtigste Königin und ihre Nachfolger am Königreich Schweden als unmittelbaren Reichsstand auf, so daß zu den Reichstagen unter den andern Reichsständen auch die Königin und die Könige von Schweden unter dem Titel eines Herzogs von Bremen, von Verden und von Pommern sowie eines Fürsten von Rügen und Herrn von Wismar geladen werden müssen; dabei soll ihnen als Sitz in den Reichsversammlungen im Fürstenrat auf der weltlichen Bank der fünfte Platz angewiesen sein und die Stimme für Bremen zwar an diesem Platz und in dieser Reihenfolge, die Stimme für Verden und für Pommern aber in der von altersher den früheren Besitzern gebührenden Reihenfolge abgegeben werden;  
 
  [Art. X,10 IPO # IPM] § 10. im obersächsischen Kreise aber zunächst vor den Herzogen von Hinterpommern, im westfälischen und im niedersächsischen Kreise an gewöhnlicher Stelle und auf gewöhnliche Weise, so daß das Directorium des niedersächsischen Kreises zwischen Magdeburg und Bremen wechselt, jedoch unbeschadet des Rechts der Herzoge von Braunschweig-Lüneburg auf das Condirectorium.  
 
  [Art. X,11 IPO # IPM] § 11. Zu den Reichsdeputationstagen aber sollen sowohl die königliche Majestät als der Herr Kurfürst ihre {Deputierten} in gewohnter Weise abordnen; da aber an ihnen beiden Pommern nur eine Stimme gebührt, soll diese stets von der königlichen Majestät, nach vorheriger Beratung mit dem besagten Kurfürsten, geführt werden.  
 
  [Art. X,12 IPO # IPM] § 12. Ferner räumt er ihnen in allen und jeden erwähnten Lehen das Privilegium de non appellando ein; dies jedoch unter der Bedingung, daß sie einen obersten Gerichtshof oder eine Appellationsinstanz an einem passenden Ort in Deutschland einrichten und mit geeigneten Personen besetzen, die einem jeden Recht und Gerechtigkeit handhaben sollen gemäß den Reichssatzungen und den Rechten eines jeden Ortes, ohne fernere Appellation oder Avokation der Prozesse.
Wenn es sich dagegen aber zutrüge, daß sie in ihrer Eigenschaft als Herzoge von Bremen, von Verden oder von Pommern, oder auch als Fürsten von Rügen oder Herren von Wismar wegen einer die erwähnten Herrschaften betreffenden Sache von jemandem in rechtmäßiger Weise belangt würden, so stellt die kaiserliche Majestät es ihnen frei, sich nach ihrer Bequemlichkeit einen Gerichtshof zu wählen, entweder am kaiserlichen Hof oder vor dem Reichskammergericht, wo sie sich auf die erhobene Klage einlassen wollen; jedoch sollen sie gehalten sein, sich innerhalb dreier Monate vom Tag der Ankündigung des Rechtsstreites an zu erklären, vor welchem Gericht sie sich zu stellen wünschen.
 
 
  [Art. X,13 IPO # IPM] § 13. Außerdem räumt er derselben königlichen Majestät von Schweden das Recht ein, eine Akademie oder Universität zu errichten, wo und wann es ihr passend scheinen wird.
Zudem überläßt er derselben die neuen Zölle (gemeinhin Licenten genannt) an den Küsten und in den Häfen von Pommern und Mecklenburg zu einem immerwährenden Recht, jedoch sollen sie insoweit ermäßigt werden, daß der Handel an jenen Orten nicht zugrunde geht.
 
 
  [Art. X,14 IPO # IPM] § 14. Endlich befreit er die Stände, Obrigkeiten, Beamten und Untertanen der genannten Herrschaften und Lehen von allen Pflichten und Eiden, durch welche sie an die vorigen Herren und Besitzer oder Prätendenten bis jetzt gebunden waren, und weist sie an und verpflichtet sie, der königlichen Majestät und dem Königreich von Schweden, als ihrem Erbherrn vom heutigen Tage an, Untertänigkeit, Gehorsam und Treue zu erzeigen; und somit setzt er Schweden in deren vollen und rechtmäßigen Besitz ein und verspricht mit seinem Kaiserwort, daß er nicht allein der jetzigen Königin, sondern auch allen künftigen Königen und dem Königreich von Schweden hinsichtlich der erwähnten abgetretenen Herrschaften, Güter und Rechte Sicherheit gewähren und sie gleich wie die übrigen Reichsstände in deren ruhigem Besitz gegen jedermann unverletzlich bewahren und erhalten und dies alles in einem besondern Lehenbrief aufs beste bestätigen werde.  
 
  [Art. X,15 IPO # IPM] § 15. Dagegen sollen die durchlauchtigste Königin und die künftigen Könige und das Königreich von Schweden besagte Lehen samt und sonders als von der kaiserlichen Majestät und vom Reich {empfangene Lehen} anerkennen und demgemäß, sooft der Fall eintritt, geziemenderweise um Erneuerung der Belehnungen nachsuchen und den Treueid und was dazu gehört gleich wie ihre Vorgänger und ähnliche Reichsvasallen leisten.  
 
  [Art. X,16 IPO # IPM] § 16. Im übrigen werden sie den Ständen und Untertanen besagter Herrschaften und Örtlichkeiten, namentlich den Bürgern von Stralsund, die ihnen zukommende Freiheit, ihre Güter, Rechte und Privilegien, allgemeine wie besondere, die sie rechtmäßig erworben oder durch langen Gebrauch erhalten haben, samt der freien immerdar zu genießenden Übung der evangelischen Glaubenslehre nach der unveränderten Augsburgischen Konfession bei der Erneuerung und Leistung des Huldigungseides in herkömmlicher Weise bestätigen; und unter diesen werden sie den Hansestädten die Seefahrts- und Handelsfreiheit, sowohl in ausländischen Königreichen, Republiken und Provinzen als auch im Reich, wie sie dieselbe allda bis zum gegenwärtigen Krieg besessen haben, unangetastet erhalten.  

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