Deutsche Übersetzung des IPO von Arno Buschmann (1984)
 
  Kollationsvorlage:
Buschmann, Arno (Hrsg., eingeleitet und übertragen): Kaiser und Reich. Klassische Texte zur Verfassungsgeschichte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation vom Beginn des 12. Jahrhunderts bis zum Jahre 1806. (dtv 4384) München 1984, 375-380; deutsche Übersetzung des Vertragstextes. Wiederabgedruckt in: ders.: Kaiser und Reich. Verfassungsgeschichte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation vom Beginn des 12. Jahrhunderts bis zum Jahre 1806 in Dokumenten. Teil II: Vom Westfälischen Frieden 1648 bis zum Ende des Reiches im Jahre 1806. 2., erg. Auflage Baden-Baden 1994, 101-106. (Die Regesten sind hier weggelassen. Die geschweiften Klammern {...} markieren Zusätze des Übersetzers; in der Kollationsvorlage sind dafür zweiwinklige Klammern [...] verwendet.)
 
 
 

deutsch 1984

 
 

Artikel XVII IPO

 
   
  [Art. XVII,1 IPO ± § 111 IPM] {§ 1} Die kaiserlichen, königlichen und reichsständischen Gesandten und Bevollmächtigten versprechen, daß der in dieser Form geschlossene Friede vom Kaiser und der Königin von Schweden und von den Kurfürsten, Fürsten und Ständen des Heiligen Römischen Reiches in der von beiden Seiten angenommenen Form ratifiziert wird und daß sie dafür einstehen, daß die förmlichen Ratifikationsurkunden innerhalb von acht Wochen - vom Tage der Unterfertigung gerechnet - zu Osnabrück überreicht und gegenseitig ausgetauscht werden.  
 
  [Art. XVII,2 IPO = § 112 IPM] {§ 2} Zur größeren Gewähr und Sicherheit sämtlicher Bestimmungen soll der gegenwärtige Vertrag als ein dauerndes Verfassungsgesetz des Reiches (perpetua lex et pragmatica imperii sanctio) wie alle anderen Gesetze und Grundgesetze des Reiches (leges et constitutiones fundamentales imperii) ausdrücklich dem nächsten Reichsabschied und der nächsten kaiserlichen Wahlkapitulation einverleibt werden und für alle gegenwärtigen, geistlichen wie weltlichen {Personen}, sie seien Reichsstände oder nicht, gleichermaßen verbindlich sowie den kaiserlichen Räten und den Räten und Dienern der Städte, auch den Richtern und Beisitzern aller Gerichte als eine für immer zu beachtende Vorschrift (tanquam regula quam perpetuo sequantur) vorgeschrieben sein.  
 
  [Art. XVII,3 IPO = § 113 IPM] {§ 3} Es sollen gegen diesen Vertrag oder gegen irgendeinen Artikel oder Zusatz {des Vertrages} weder geistliche noch weltliche Rechte, weder allgemeine noch besondere Konzilsbeschlüsse, Privilegien, Bewilligungen, Verordnungen, Gerichtsentscheidungen, Verbote, Verfügungen, Beschlüsse, rechtshängig gemachte Klagen, zu irgendeiner Zeit gefällte Sprüche, Gerichtsurteile, kaiserliche Wahlkapitulationen und Vorschriften der Ordensleute oder Exemtionen, bereits erhobene oder noch zu erhebende Protestationen, Einreden, Berufungen, Besitzeinweisungen, Vergleiche, Eide, Verzichte, Veräußerungsgeschäfte und andere Verträge, noch weniger die Verordnung des Jahres 1629 oder der Prager Friede mit seinem Zusatzprotokoll oder die Konkordate mit den Päpsten oder das Interim vom Jahre 1548 oder irgendwelche anderen weltlichen oder geistlichen Verordnungen, Beschlüsse, Dispense, Lossprechungen oder ähnliche {Maßnahmen}, unter welchem Namen oder Titel auch immer sie geltend gemacht werden könnten, jemals vorgebracht, zugelassen oder angehört werden, auch sollen zu keiner Zeit und an keinem Ort Prozesse gegen diesen Vertrag über die Feststellung von Rechten, Besitzständen, Besitzansprüchen oder andere Verfahren oder Delegationen der Gerichtsbarkeit zugelassen und entschieden werden.  
 
  [Art. XVII,4 IPO = § 114 IPM] {§ 4} Wer aber diesem Vertrag und dem allgemeinen Frieden mit Rat und Tat (consilio vel ope) zuwiderhandelt oder sich dem Vollzug und der Restitution widersetzt, oder auch wer, wenn die Restitution in der zuvor bestimmten rechtmäßigen Form ohne Verletzung der Bestimmungen erfolgt ist, ohne rechtliches Erkenntnis in der Sache oder ohne rechtmäßiges Verfahren das Restituierte aufs neue zu erlangen versuchen sollte, er sei geistlichen oder weltlichen Standes, soll der Strafe des Friedensbruches (poenam fractae pacis) von Rechts wegen [und eigentätigerweise (ipso iure et facto)] verfallen sein und es soll die Rückgabe und der Vollzug gemäß den Reichsgesetzen mit allem Nachdruck befohlen und vorgenommen werden.  
 
  [Art. XVII,5 IPO = § 115 IPM] {§ 5} Der geschlossene Friede soll uneingeschränkt in Kraft bleiben und die Vertragsparteien sollen verpflichtet sein, sämtliche Bestimmungen dieses Friedens gegen jedermann ohne Unterschied des Bekenntnisses zu schützen und zu verteidigen. Sollte aber {eine Bestimmung} verletzt werden, soll der Geschädigte den Schädiger zunächst abmahnen, danach jedoch die Sache einem gütlichen Vergleich oder einer rechtlichen Entscheidung zuführen.  
 
  [Art. XVII,6 IPO = § 116(1) IPM] {§ 6} Sollte aber ein solcher Streit durch keines dieser Mittel innerhalb von drei Jahren zu Ende gebracht werden können, so sollen sämtliche Vertragspartner verpflichtet sein, sich mit dem Verletzten in Rat und Tat zu verbinden und auf den Hinweis des Verletzten, daß weder der Weg einer gütlichen Einigung noch der Rechtsweg zum Erfolg geführt habe, zur Unterdrückung des Unrechts zu den Waffen zu greifen, unbeschadet jedoch der einem jeden zustehenden Gerichtsbarkeit und aller für jeden Fürsten oder Stand geltenden Gesetze und Ordnungen.  
 
  [Art. XVII,7 IPO = § 116(2) IPM] {§ 7} Keinem Reichsstand soll es erlaubt sein, sein Recht mit Gewalt und mit Waffen zu verfolgen, sondern jeder soll den Weg des Rechts beschreiten, wenn ein Streit entstanden ist oder künftig entstehen sollte. Wer dem zuwiderhandelt, soll des Friedensbruches angeklagt werden (re[us] sit fractae pacis). Was durch Gerichtsurteil entschieden wurde, soll ohne Unterschied des Standes vollzogen werden, wie es die Reichsgesetze über den Vollzug eines Urteils bestimmen.  
 
  [Art. XVII,8 IPO = § 117 IPM] {§ 8} Zur besseren Wahrung des Landfriedens sollen die Reichskreise wiederhergestellt werden. Sobald von irgendeiner Seite Unruhe oder Aufruhr verursacht werden sollten, sollen diejenigen Maßnahmen ergriffen werden, die in den Reichsgesetzen über den Vollzug und die Erhaltung des Landfriedens vorgesehen sind (quae in constitutionibus imperii de pacis publicae exsecutione et conservatione disposita sunt).  
 
  [Art. XVII,9 IPO = § 118 IPM] {§ 9} Sooft aber Truppen aus irgendeinem Anlaß und zu irgendeinem Zeitpunkt durch fremde Gebiete oder über fremde Grenzen geführt werden, soll ein solcher Durchzug auf Kosten dessen, dem die durchziehenden Truppen gehören, und ohne Schädigung und Verletzung derer, durch deren Gebiet sie geführt werden, stattfinden. {Bei einem solchen Durchzug} soll überall beachtet werden, was die Reichsgesetze zur Erhaltung des allgemeinen Friedens (de conservatione pacis publicae imperii) vorsehen und verordnen.  
 
  [Art. XVII,10 IPO ~ § 119 IPM] {§ 10} In den gegenwärtigen Friedensschluß sollen eingeschlossen sein auf Seiten des allerdurchlauchtigsten Kaisers: sämtliche Verbündeten und Anhänger Seiner Majestät, namentlich der katholische König, das Haus Österreich, des Heiligen Römischen Reiches Kurfürsten und Fürsten, unter diesen auch der Herzog von Savoyen, sowie die übrigen Reichsstände unter Einschluß der freien Reichsritterschaft und der Hansestädte; desgleichen der König von England, der König und die Königreiche von Dänemark und Norwegen mit den dazugehörigen Ländern sowie das Herzogtum Schleswig, der König von Polen, der Herzog von Lothringen und alle Fürsten und Stadtrepubliken Italiens, die Generalstaaten der Vereinigten Niederlande, die Kantone der Schweiz und Graubünden und der Fürst von Siebenbürgen.  
 
  [Art. XVII,11 IPO ~ § 119 IPM] {§ 11} Auf Seiten der allerdurchlauchtigsten Königin und des Königreichs Schweden {sollen eingeschlossen sein}: alle Verbündeten und Anhänger, namentlich der allerchristlichste König, die Kurfürsten, Fürsten und {sonstigen} Stände einschließlich der freien Reichsritterschaft und der Hansestädte, der König von England, der König und das Königreich von Dänemark und Norwegen mit den dazugehörigen Ländern, das Herzogtum Schleswig, der König von Polen, der König und das Königreich von Portugal, der Großfürst von Moskau, die {Stadt}republik Venedig, die Vereinigten Niederlande, die Schweiz mit Graubünden und der Fürst von Siebenbürgen.  
 
  [Art. XVII,12 IPO ± § 120 IPM] {§ 12} Zur Bekräftigung all dessen haben sowohl die kaiserlichen als auch die königlichen Gesandten namens aller Kurfürsten, Fürsten und Stände des Reiches die von diesen - kraft des am 13. Oktober des vorerwähnten Jahres und am Tage der Unterschrift unter den mit dem kurmainzischen Kanzleisiegel versehenen und der schwedischen Gesandtschaft ausgehändigten Beschlusses - eigens zu dieser Verhandlung ernannten Gesandten, nämlich der kurmainzische Kanzler, Herr Ritter Nikolaus Georg von Reigersberg; der Kurbayerische Geheime Rat, Herr Johann Adolf Krebs; der kursächsische Rat, Herr Johann Leuber; der Kurbrandenburgische Geheime Rat, Herr Johann Graf von Sayn und Wittgenstein, Herr von Homburg und Vallendar; im Namen des Hauses Österreich, der kaiserliche Reichshofrat, Herr Georg Ulrich Graf von Wolkenstein; der Bischöflich Bambergische Rat, Herr Cornelius G[ö]bel; der Bischöflich Würzburgische Geheime Rat, Herr Sebastian Wilhelm Meel; der Herzoglich Bayerische Hofrat, Herr Johann Ernst; der Sächsisch-Altenburgische und -Coburgische Hofrat, Herr Wolfgang Conrad von Thumshirn; der Sächsisch-Altenburgische und -Coburgische Rat, Herr August Carpzow; der Brandenburgisch-Kulmbachische und -Ansbachische Geheime Rat, Herr Johann Fromhold; der Braunschweig-Lüneburg-Cellischen Linie Geheimer Rat, Herr Heinrich Langenbeck, Rechtsgelehrter; der Calenbergischen Linie Geheimer Rat und Prokanzler, Herr Jakob Lampadius, Rechtsgelehrter; im Namen der Wetterauischen Grafenbank, der Rechtsgelehrte und Rat Herr Mathias Wesembeck; im Namen der beiden städtischen Bänke, und zwar der Straßburgischen, Herr Marcus Otto, Regensburgischen, Herr Johann Jacob Wolf; der Lübeckschen, Herr David Glox[in]; und der Nürnbergischen Reichsstadt Syndici, Ratsherrn, Räte und Advokaten, Herr Jobst Christoph Kreß von Kressenstein, die gegenwärtige Friedensurkunde eigenhändig unterzeichnet und mit Siegeln bestätigt und bekräftigt. Die vorerwähnten Abgeordneten der Stände haben versprochen, die Ratifikationsurkunden ihrer Herren innerhalb der vorerwähnten vereinbarten Frist gegenseitig auszutauschen. Den übrigen Bevollmächtigten der Stände ist es anheimgestellt worden, ob sie mit ihren Namen unterzeichnen und die Ratifikation ihrer Herren einholen wollen oder nicht, dies jedoch mit der Maßgabe, daß durch die Unterzeichnung der vorerwähnten Abgeordneten sämtliche übrigen Stände, die nicht unterschrieben und ratifiziert haben, in derselben Weise zur Beachtung und Ausführung der in diesem Friedensschluß enthaltenen Bestimmungen verpflichtet sind, als seien diese von ihnen selbst unterschrieben und ratifiziert worden. Von dem Reichsdirektorium soll überdies keine Protestation oder Einrede gegen die Unterschrift der vorerwähnten Abgeordneten entgegengenommen oder als gültig anerkannt werden.

Geschehen zu Osnabrück in Westfalen am 14./24. Oktober im Jahre Christi 1648.
 

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